Clemens Ottnad zum Projekt ONBOARDING

Das Projekt Onboarding fragt nach einer zeitgemäßen Verbindung von Kunst und Handwerk, gerade im ländlichen Raum der Schwäbischen Alb, wo einerseits Tüftler und Erfinder wie andererseits Künstlerinnen und Künstler von jeher zuhause waren und sind. Wie aber können künstlerische Impulse Handwerksarbeiten inspirieren und wie kann umgekehrt Handwerk von Kunst profitieren?

Trotz der dünnen Besiedlung und der Abwanderung, von der die Alb-Region geprägt ist, bieten sich offenkundig bis heute viele verschiedene Möglichkeiten, Pionier*innen – so wie damals Anton Geiselhart – anzuziehen. Gesucht werden also zeitgenössische Konzepte und Prozesse, mit denen die Fortführung seines Ansatzes im Bewusstsein der kulturellen Identität der Schwäbischen Alb weitergedacht und konkret umgesetzt werden können.

Im Mittelalter waren die Bereiche Handwerk und Kunst unauflösbar miteinander verwoben, als Voraussetzung für beide galt die Beherrschung und der Rang einer „Meisterschaft“. Erst im Laufe der Jahrhunderte erfolgte die allmähliche Ablösung der „freien“ künstlerisch-kreativen Entwurfsarbeit von ihrer „angewandten“ handwerklich-technischen Umsetzung. Das seit der Renaissance erstarkende Selbstbewusstsein und Selbstverständnis der Künstler trug seinen Teil dazu bei. Doch die Abhängigkeiten sind geblieben: Entstanden Kunstwerke früher im Auftrag von Kirche, Staat und Aristokratie, bestimmen heute die Zwänge und Gesetze des Kunstmarkts, von Galerien und internationaler Sammlerschaft die Entwicklung aktueller Kunst.

Insbesondere im Zeitalter der zunehmenden Industrialisierung des 19. Jahrhunderts machten sich jedoch immer wieder auch Gegenbewegungen gegen die Entfremdung von künstlerischer und handwerklicher Arbeit bemerkbar. Verstärkt kamen diese Tendenzen im Umfeld des europäischen Jugendstils zum Ausdruck, vor allem ausgelöst durch das britische Arts and Crafts Movement zwischen 1870 und 1920. Noch heute gehen im deutschsprachigen Raum Gründungen von Kunstakademien und anderen Kunsthochschulen auf ehemalige Kunstgewerbeschulen zurück, in denen beispielsweise Malerei und Bildhauerei gleichberechtigt mit Architektur, Industrie- oder Modedesign unterrichtet wird.

In den beiden letzten Jahrzehnten hat die fortschreitende Komplexität der Globalisierung und des digitalen Zeitalters gerade in der bildenden Kunst vermehrt zur Ausarbeitung interdisziplinärer Konzepten geführt. In diesem Zusammenhang wurden besonders naturwissenschaftliche, soziologische oder auch philosophische Fragestellungen in die künstlerische Arbeit mit einbezogen. Gleichzeitig nahmen aber auch zahlreiche Quereinsteiger*innen aus handwerklich-technischen Lehrberufen die Tätigkeit an einer Kunsthochschule und an anderen Forschungseinrichtungen, Museen u.ä. auf und gewährleisten so einen intensiven gegenseitigen Austausches von Kunst, Handwerk, Wissenschaft und Technik (v.a. Medientechnik).

In der jüngeren Vergangenheit mag der ländliche Raum – wie der der Schwäbischen Alb – Künstlerinnen und Künstlern noch vorwiegend als weitgehend naturbelassener Rückzugsort vor urbaner Betriebsamkeit und Gefährdung gedient haben (vgl. Felix Hollenberg 1868 – 1945, Lothar Schall 1924 – 1996 u.a.). Die üblichen technischen Standards und eine dafür erforderliche Logistik leidlich vorhaltend, bildet er inzwischen eine hervorragende Ausgangsbasis für Kooperationsprojekte an den Schnittstellen handwerklich-technischen und künstlerischen Arbeitens. Dabei erweisen sich die engen persönlichen Kontakte und Netzwerke, die Künstler*innen mit Handwerker*innen in solchen Räumen knüpfen können, als besonderer Glücksfall. Entgegen einer um sich greifenden Anonymisierung und Normierung beider Bereiche wird so die Professionalisierung – sowohl von Handwerk als auch von Kunst – auf der Höhe unserer Zeit sichergestellt.

Clemens Ottnad

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